Nur dabei sein ist besser – Virtuelle Besuche auf unserer neonatologischen Intensivstation

Frühgeborene gehören in der Pädiatrie zu der Patientengruppe mit der längsten Krankenhausverweildauer. Die meisten betroffenen Familien empfinden die Situation auf der Intensivstation als sehr belastend. Neben dem Gefühl der Hilflosigkeit sind es vor allem bauliche Defizite, die einem kontinuierlichen Rooming-in entgegenstehen. Obwohl bereits die UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1989 fordert, dass kein Kind gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, und auch die European Association for Children in Hospital (EACH) das Angebot einer Mitaufnahme von Eltern in geeigneten Räumlichkeiten empfiehlt, ist momentan noch keine neonatologische Intensivstation in Deutschland in der Lage, diesen Forderungen in Gänze Rechnung zu tragen. Auch wenn bereits in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel in der Neonatologie stattgefunden hat, und mittlerweile fast flächendeckend unbegrenzte Besuchszeiten von Eltern Normalität sind, steht der Platzmangel auf den Intensivstationen einer optimalen familienzentrierten Betreuung von Frühgeborenen entgegen. In den Zeiten, in denen die Eltern nicht persönlich bei ihrem Kind sein können, bieten Bettkameras mit webbasiertem Videostreaming-Systemen die Möglichkeit eines virtuellen Besuches von zu Hause oder von unterwegs. Diese Möglichkeit des „virtuellen Besuches“ fördert die Autonomie und Kompetenz der Eltern. Neben der familiären Stressreduktion („Vor dem Einschlafen sehe ich noch mal schnell nach meinem Sohn. Wenn ich sehe wie er so friedlich da liegt, beruhigt mich das.“ Zitat Mutter B. aus B.) sind positive Effekte auch in Bezug auf die Geschwisterkinder anzunehmen, die die häufige Abwesenheit zumindest eines Elternteiles verkraften müssen. Bei Aufnahme bzw. in den ersten Tagen des stationären Aufenthaltes wird das Video-Streaming-System den Eltern vorgestellt. Eltern, die dieses zusätzliche Angebot nutzen möchten, erhalten eine umfassende Einführung in das System. Über eine gesicherte Online-Plattform erhalten Eltern die Möglichkeit ihr Kind über die Bettkamera zu betrachten. Eltern, die dieses zusätzliche Angebot nutzen möchten, erhalten über ein individuelles Passwort Zugang auf eine gesicherte Online-Plattform, über die sie ihr Kind per Live-Übertragung betrachten können. Die Online-Plattform ist von allen internettauglichen Endgeräten (Mobiltelefon, Tablet, PC) erreichbar. Aus datenschutzrechtlichen und personalrechtlichen Gründen erfolgt lediglich ein verschlüsseltes Streaming von Bilddaten. Audiosignale werden nicht übertragen und eine Speicherung von Bilddaten erfolgt nicht. Die Bettkamera wird grundsätzlich so ausgerichtet, dass Gesundheitsdaten und/oder Vitaldaten (etwa über entsprechende Monitore, etc.) für den Betrachter nicht sichtbar sind. Die auf dem deutschen Markt erhältlichen Komplettlösungen für Internet Video Streaming von Neugeborenen im Krankenhaus sind mit den deutschen Datenschutzbestimmungen in Einklang zu bringen.

Videostreaming in der Neonatologie wird die baulich-strukturellen Limitationen in vielen deutschen neonatologischen Abteilungen nicht lösen können, ist aber ein weiterer Baustein zur Integration in das Behandlungsteam und ein weiterer Schritt zur maximalen Transparenz der ärztlichen und pflegerischen Betreuung unserer kleinsten Patienten.

Relevante Merkmale des Bettkamera-Systems: 

  •  Zugangsportal: https://eu.nicview.net/
  • Ihr persönliches Passwort erhalten Sie von der zuständigen Pflegekraft
  • Audiosignale werden weder aufgezeichnet noch übertragen.
  • Es werden keine Daten gespeichert und es gibt keine personenbezogenen Daten.
  • Nur Nutzer mit einem spezifischen Nutzernamen und dem Passwort, welches von der Intensivstation vergeben wird, können zugreifen.
  • Der gesamte Datenverkehr wird verschlüsselt.
  • Es werden „virtuelle Besuchszeiten“ vereinbart.

Bei Fragen zur Nutzung des Kamerasystems (Internetzugang, Passwortprobleme etc.) können Sie sich jederzeit an die kostenlose Hotline des von uns verwendeten Kamerasystem NICVIEW wenden. Tel.: 03222 109 37 09

„Vor dem Einschlafen sehe ich noch mal schnell nach meinem Sohn. Wenn ich sehe wie er so friedlich da liegt, beruhigt mich das.“

Weitere Informationen:

Elterninformation Videostreaming auf der neonatologischen Intensivstation

Projektseite der European Foundation for the Care of Newborn Infants (EFCNI): Web camera systems in the neonatal intensive care unit

Ansprechpartner: Dr. Till Dresbach

Das Projekt wurde finanziert durch Spenden Verein der Freunde und Förderer des Zentrums für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn e.V. und der Deutsche Post Adress. Danke! 

Videostreaming in der Neonatologie aus Sicht der…

…Pflege

Annika Lesch (26)
Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin

Wie standen sie dem Projekt anfangs gegenüber? Gab es Berührungsängste?

Anfangs war ich etwas skeptisch, da ich mir nicht genau vorstellen konnte, inwieweit die Bettkameras meine tägliche Arbeit auf der Intensivstation beeinflussen würden. Meine Kollegen und ich wurden schon lange vor dem eigentlichen Start des Projektes informiert. Beruhigend fand ich das der Personalrat eingebunden war und zugestimmt hat. Berührungsängste mit dem System hatte ich persönlich nie, da ich einer Generation angehöre, die mit modernen Medien groß geworden bin. Mittlerweile nehme ich die Bettkameras bei meiner Arbeit kaum noch wahr und bin immer wieder begeistert, wie gut die Kameras von den Eltern  angenommen werden.

Bemerken Sie bei den Eltern, die das Kamerasystem nutzen Verhaltensunterschiede im Vergleich zu Eltern, die solche Kamerasysteme nicht nutzen?

Die Bettkameras werden von den Eltern ganz unterschiedlich angenommen. Der größte Teil der Eltern nutzen das Kamerasystem, um kurz bei ihrem Kind „vorbeizusehen“, in der Zeit, in denen sie nicht am Bett sein können. Viele Eltern berichten von eher kurzen aber häufigen  „virtuellen Besuchen“, die diese ungemein beruhigen. Einige Eltern rufen sicher häufiger auf Station an, als Eltern die keine Bettkamera nutzen: z.B. wenn das Kind gespuckt hat oder sie der Meinung sind, ihr Kind müsse anders gelagert werden. Natürlich kommt es auch vor, daß vergessen wird die Kameras optimal auszurichten, aber dann reicht ein kurzer Anruf und wir versuchen die jeweilige Kamera auszurichten, dass sie Eltern zu Hause ein optimales Bild empfangen können. Das ist manchmal sicher etwas mehr Arbeit für uns Pflegekräfte, aber die Eltern sind umso beruhigter wenn sie sich überzeugen können, daß alles mit ihrem Kind in Ordnung ist. 

Gibt es bestimmte „Besuchszeiten“ in denen das Kamerasystem ein bzw. ausgeschaltet wird?

Auf unserer Intensivstation gibt es keine festen Besuchszeiten. Alle Eltern sind Tag und Nacht wilkommen. Auch bei unseren Bettkameras gibt es keine festen Besuchszeiten. Die betreuende Schwester vereinbart mit den Eltern, wann die Kamera online sein soll. Meist ist dies den ganzen Tag und die ganze Nacht. Lediglich bei den Versorgungsrunden wird die Kamera häufig weggedreht, da sie den optimalen Arbeitsablauf stört. 

…Ärzte

Dr. Till Dresbach
Oberarzt Neonatologie u. Pädiatrische Intensivmedizin

Welche Voraussetzungen mussten erfüllt werden, damit Sie ein solches Projekt umsetzen konnten?

In unserer Klinik hat es sich gelohnt, bereits bei den ersten Planungsschritten die ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter, Personalrat, Krankenhaus-IT, Datenschutzabteilung  und Geschäftsführung zu involvieren.  Durch ein proaktives Vorgehen konnten anfänglich bestehende Vorbehalte zügig abgebaut  werden. Mittlerweile gehört Videostreaming auf unserer Neonatologischen Intensiv- und Pflegestation zum Alltag.

Was können Kamerasysteme leisten und wo stoßen sie an ihre Grenzen?

 Über eine gesicherte Online-Plattform erhalten Eltern die Möglichkeit ihr Kind über die Bettkamera zu betrachten. Eltern, die dieses zusätzliche Angebot nutzen möchten, erhalten über ein individuelles Passwort Zugang auf eine gesicherte Online-Plattform, über die sie ihr Kind per Live-Übertragung betrachten können. Die Online-Plattform ist von allen internettauglichen Endgeräten (Mobiltelefon, Tablet, PC) erreichbar. Aus datenschutzrechtlichen und personalrechtlichen Gründen erfolgt lediglich ein verschlüsseltes Streaming von Bilddaten. Audiosignale werden nicht übertragen und eine Speicherung von Bilddaten erfolgt nicht. Die Bettkamera wird grundsätzlich so ausgerichtet, dass Gesundheitsdaten und/oder Vitaldaten (etwa über entsprechende Monitore, etc.) für den Betrachter nicht sichtbar sind. Die auf dem deutschen Markt erhältlichen Komplettlösungen für Internet Video Streaming von Neugeborenen im Krankenhaus sind mit den deutschen Datenschutzbestimmungen in Einklang zu bringen. Die momentan erhältlichen Kamerasysteme liefern Bildmaterial in guter Qualität. Vergleichbar ist die Qualität mit Videotelefonie-Systemen.

 Haben Sie neben der Beruhigung der Eltern weitere positive Auswirkungen ausmachen können? 

Videostreaming in der Neonatologie bietet viele positive Effekte für Eltern, Geschwisterkinder und Angehörige.  Die Möglichkeit des „virtuellen Besuches“  fördert die Autonomie und Kompetenz der Eltern. Neben der familiären Stressreduktion berichten viele Eltern auch die positive Effekte in Bezug auf die Geschwisterkinder, die die häufige Abwesenheit zumindest eines Elternteiles verkraften müssen. Einige Eltern nutzen das Videostreaming-System beim  Abpumpen zu Hause um den Milchfluss anzuregen. Videostreaming in der Neonatologie ist ein weiterer Baustein zur Integration der Eltern in das Behandlungsteam und ein weiterer Schritt zur maximalen Transparenz der ärztlichen und pflegerischen Betreuung unserer kleinsten Patienten.