Zentrum für seltene angeborene Lymphgefäßerkrankungen

Patienten mit seltenen angeborenen Lymphgefäßerkrankungen im Kindes- aber auch Erwachsenalter werden bisher in Deutschland nur an wenigen Kliniken intensiv betreut. Seit ca. 10 Jahren besteht am Zentrum für Kinderheilkunde eine Ambulanz für angeborene Gefäßmalformationen (Prof. Dr. A. Müller) mit dem speziellen Schwerpunkt auf seltene Lymphgefäßerkrankungen (z.B. Lymphangiome). Diese Ambulanz koordiniert die Diagnostik und die medikamentöse Therapie in der Regel im Rahmen von individuellen Heilversuchen. Daneben werden die häufigeren Hämangiome in einer eigenen Ambulanz (Dr. S. Poralla) betreut. Die Patientenversorgung beginnt vorgeburtlich mit der sonographischen Diagnostik und evtl. notwendigen Interventionen am Fetus. Ein Beispiel ist die intrauterine Anlage von Drainagen (Shunts) bei Kindern mit Chylothorax, um die Flüssigkeit aus dem Thorax des Fetus in die Amnionhöhle abzuleiten und so eine Expansion der Lunge zu ermöglichen. Ein weiteres Beispiel ist die Entbindung von Kindern mit zervikalen Lymphangiomen. Bei diesen Kindern kann es nötig sein, eine Entbindung durch EXIT (ex utero intrapartum) durchzuführen, um eine Sicherung der Atemwege zu ermöglichen. Diese sehr komplexen Eingriffe führen weltweit nur wenige Zentren durch. Das Universitätsklinikum Bonn bietet seit langem in der Behandlung dieser Patienten mit der Abteilung für spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin der Universitätsfrauenklinik Bonn (PD Dr. B. Stritzek, Prof. Dr. U. Gembruch, DEGUM III), der Bereich für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Zentrum für Kinderheilkunde (Prof. Dr. A. Müller, LEVEL I Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin), in diesen klinischen Bereichen eine überregionale Expertise an.

Die postnatale Versorgung umfasst zunächst die Stabilisierung des Patienten durch komplexe intensivmedizinische Maßnahmen (inkl. ECMO), die Sicherung und Charakterisierung der Diagnose sowie die Planung der medikamentösen und ggf. operativen (Dr. A. Heydweiller) oder interventionellen Therapie. In der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Bonn (PD Dr. C. Pieper) werden Diagnostik und Therapie von Lymphgefäßerkrankungen und Gefäßmalformationen seit fast 20 Jahren spezialisiert angeboten und mit steigenden Fallzahlen auch bei Kindern mit angeborenen Lymphgefäßmalformationen durchgeführt. Mit aktuell über 140 MR-Lymphangiographien (davon 20 im Kindesalter; jüngster Patient 8 Wochen, 3000g KG) und 35 interventionellen Behandlungen am Lymphgefäßsystem in 2020 ist das Universitätsklinikum Bonn aktuell deutschlandweit führend.

Die klinische Forschung des Zentrums konzentriert sich pränatal auf die Etablierung und Evaluierung fetaler postnataler Therapien. Zu nennen sind hierbei die experimentelle Behandlung von lymphatischen Malformationen mit Propranolol (VEGF Antagonist), Sirolimus (PI3K/AKT/mTOR Antagonist) und Sildenafil (PDE-5-Hemmer). Dabei hilft das zunehmende Wissen über die genetischen Ursachen lymphatischer Malformationen, dass bei wenigen Beispielen zu ersten Target orientierten Behandlungsansätzen führt. Beispiele sind hierfür die Behandlung von Patienten mit Noonan Syndrom mit dem MEK Inhibitor Trametinib (erste Kinder sind bei uns in Behandlung) oder die Behandlung mit Alpelisib (PIK3CA-Inhibitor) bei Patienten mit CLOVE-Syndrom. Insgesamt werden in der Ambulanz für lymphatische Fehlbildungen am Zentrum für Kinderheilkunde über 50 Patienten mit steigenden Fallzahlen behandelt.

Daneben ist die kontinuierliche technische Weiterentwicklung und klinische Evaluation von neuen, non- bzw. minimal-invasiven Bildgebungs- und Interventionstechniken des Lymphgefäßsystems einer der Schwerpunkte der klinischen Forschungsbemühungen.

Die genetischen Ursachen von Patienten mit angeborenen Hydro- und/oder Chylothorax und Lymphangiektasien sind gegenwertig Thema einer Studie (Prof. Dr. H. Reutter, Sophia Schneider), die neben bekannten (Tabelle 2) neue Mutationen sucht bzw. gefunden hat.

Angeborene Fehlbildungen des Lymphgefäßsystems (1:2.000-4.000) umfassen eine Reihe von seltenen und sehr heterogenen Erkrankungsbildern, die vorgeburtlich am häufigsten durch einen non- immun Hydrops fetalis, benigne Tumoren des Lymphgefäßsystems (Lymphangiom) oder als Hydrothorax auffallen. Bei fast allen Kindern mit Hydrothorax, zeigt sich nachgeburtlich ein Chylothorax (1:24.000) meist im Rahmen einer generalisierten lymphatischen Anomalie (GLA) oder einer syndromalen Erkrankung wie Rasopathien (z.B. Noonan-Syndrom, 1:3.000-5.000). Bei einem Teil der Kinder die vorgeburtlich mit einem non- immunen Hydrops fetalis auffallen, wird nachgeburtlich ebenfalls eine GLA, z.B. als generalisierte Lymphangiektasie diagnostiziert. Die seltenen benignen Tumoren des Lymphsystems (Häufigkeitsangaben liegen in der Literatur nicht vor) treten isoliert oder im Rahmen von Syndromen (z.B. Cloves-Syndrom, PIK3CA-Mutation) an den unterschiedlichsten Stellen des Körpers auf. Beispiele sind die zervikalen oder Mundboden Lymphangiome, die immer eine komplexe und vor allem individuelle Therapie benötigen. In der klinischen Betreuung und wissenschaftlichen Bearbeitung stellen angeborenen Fehlbildungen des Lymphgefäßsystems eine hohe Herausforderung an die Behandlung durch alle darin einbezogenen medizinischen Fachdisziplinen dar.

Leiter des Zentrums für seltene angeborene Lymphgefäßerkrankungen

Prof. Dr. med. Andreas Müller, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin

Terminvereinbarungen:
Universitätsklinikum Bonn
Prof. Dr. med. Andreas Müller
Eltern-Kind-Zentrum (Gebäude 30)
Venusberg-Campus 1
53127 Bonn
Tel. 0228/287-37726 o. 37834
E-Mail: neonatologie@ukbonn.de

Ambulanzzeiten: Montags 09.00 – 11.00 Uhr

PD Dr. med. Claus Pieper
Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie

Dr. med. Andreas Heydweiller
Kinderchirurgie